Nachfolger gesucht? Mit agilen Konzepten leben Geist und Idee des Unternehmens weiter

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  • Beitrags-Kategorie:Arbeit
  • Beitrag zuletzt geändert am:3. Juli 2023
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#Unternehmensnachfolge #Lebenswerk #Verantwortung #Neue Rahmenbedingungen #Agil

Timm Urschinger, LIVEsciences

Nicht immer gelingt eine Unternehmensnachfolge, wie es sich der Gründer vorstellt. Wird die Übernahme falsch angegangen oder ist das Thema tabu und damit lange ungeregelt, ist die Unternehmenskrise oft nicht weit. Manchmal kommt es unnötigerweise sogar zur Insolvenz. Für viele ist allein der Gedanke, dass das eigene Unternehmen verkauft, also in fremde Hände abgegeben wird, unvorstellbar. Sie wollen ihr Lebenswerk am liebsten für die Ewigkeit schützen. Wäre da nicht folgende Frage sowie Herausforderung: Wie den Betrieb sichern, wenn immer weniger unternehmerisch tätig werden wollen, selbst in der Familie viele den Aufwand scheuen?

Es gibt nur noch wenige der echten „alten“ Gründer, die ihr ganzes Herzblut in ihr Unternehmen steckten. Sie verschrieben nicht nur sich selbst dem Geschäft – auch ihre Familien richteten ihr Leben oft komplett danach aus. Kein Wunder, dass Söhne oder Töchter, vielleicht sogar die Enkelkinder, kein Interesse haben, so viel Verantwortung zu übernehmen. Zumal sich inzwischen die Zeiten und Ansprüche geändert haben, an sich selbst und von anderen.

Die steigende Unternehmermüdigkeit hat sicher mit den Herausforderungen zu tun, der sich Unternehmer in den letzten Jahren gegenübersahen und die sie auch heute noch zu wechselnden Themen bewältigen müssen. Hat hier einer die alleinige Verantwortung, ist es nicht verwunderlich, dass bei aller Leidenschaft von zeitweisen Erschöpfungszuständen bis zum dauerhaften Burnout alles vertreten ist.

Wer will sich das noch antun?

Viele ältere Unternehmer fragen sich inzwischen: „Muss ich mir das weiterhin antun?“. Bei der nachwachsenden und -rückenden Generation klingt es eher so: „Soll ich mir das je antun?“. Von Bäckern bis zu Ärzten stehen alle vor der gleichen Herausforderung: Wenn keiner mehr die Nachfolge übernehmen will, wer soll den Betrieb oder die Praxis weiterführen? Schließlich hat man ja nicht all die Jahre umsonst gekämpft!

Steht tatsächlich der Verkauf im Raum, bleiben Fragen offen wie „Kann all das Herzblut überhaupt gerecht vergütet werden?“ und „Warum ist der Inhaber oft erst so (zu) spät bereit, wirklich loszulassen?“ Manchmal ist das Lebenswerk viel zu abhängig von einer Person. Lässt man alle diese Überlegungen, Zweifel und Möglichkeiten zu, kann die Nachfolgeregelung mit Agilität tatsächlich frischen Wind bekommen!

Konzepte für neue Formen der Unternehmer-Zukunft

Fakt ist: Wir brauchen eine neue Unternehmer-Generation. Und da hilft es nichts, darüber zu klagen, dass immer weniger das Risiko eingehen wollen. Ebenso wenig über die angebliche Bequemlichkeit und mangelnde Leistungsbereitschaft der jungen Leute. Vielmehr müssen wir uns spätestens jetzt überlegen: Wie können sich die Rahmenbedingungen ändern, damit Menschen wieder Lust darauf haben, unternehmerisch tätig zu werden? Ob Verkauf, Fusion oder Neustart, bei der innovativen und agilen Unternehmensnachfolge gibt es kein besser oder schlechter, sondern nur ein anders als bisher.

Neben der klassischen Übergabe an die nächste Generation, sprich Nachfolge innerhalb der Familie, gibt es unzählige weitere Modelle, ein Unternehmen erfolgreich in die Zukunft zu führen. Management-Buy-Out (MBO) oder Employee-Buy-Out (EBO) ermöglichen eine verteilte Eigentümerschaft. Für viele durchaus ein positiver Aspekt, wenn es darum geht, grundsätzlich unternehmerisch tätig zu sein. Schließlich ermöglicht dieses „nicht-alleine-an-der-Spitze-stehen“, sich mit jemandem auszutauschen, der das oftmals drückende Gefühl der Verantwortung für das Unternehmen und die Beschäftigten kennt, die Sorgen, wenn finanzielle Probleme zu lösen und Mitarbeiter schwer zu finden sind oder Kunden ausbleiben.

Verbunden mit einem höheren Grad an Selbstorganisation kann MBO/EBO übrigens auch insgesamt zu einer Transformation des Unternehmens beitragen und so ein tragfähiges Konzept für eine starke Unternehmer-Zukunft sein.

Besteht bei der Weitergabe innerhalb der Familie, vor allem im Erbfall, die Gefahr einer Zerschlagung, befinden wir uns nicht nur menschlich, sondern auch (steuer-) rechtlich auf schwierigem Terrain. Oft der Moment, in dem über eine Stiftung nachgedacht wird. Neben dem dauerhaften Erhalt des Unternehmens, können die Nachkommen abgesichert (Familienstiftung) und/oder ein gemeinnütziger Zweck (gemeinnützige Stiftung) unterstützt werden, ggf. auch beides durch eine sogenannte Doppelstiftung. Dem Sinn ist damit oft ebenfalls in doppelter Hinsicht Genüge getan: ein gemeinnütziger Zweck profitiert zukünftig vom Erfolg des Unternehmens und zugleich ist die Kultur bzw. der Purpose für längere Zeit fast wie in Stein gemeißelt, weil an einer Stiftungssatzung nur schwer etwas zu ändern ist.

Unabhängig von Gründern und/oder Inhabern

Eines ist sicher: Wir müssen bei der Nachfolgethematik weg vom veralteten Bild des patriarchischen Firmengründers samt Unternehmer-Familien-Stammbaum über vier oder fünf Generationen. Schon heute gibt es immer mehr Unternehmen, gerade Startups, die zu zweit, zu dritt oder mit noch mehr Gründungsmitgliedern starten und damit dem Gebilde Unternehmen von Anfang an eine andere strategische, wirtschaftliche und vor allem menschliche Ausrichtung geben.

Weg vom Gedanken, dass ein Einzelner, in der Vergangenheit eben der Gründer nebst Familie, das Unternehmen als Eigentum besitzt – hin zur Idee, an einem erfolgreichen Business lieber die Menschen zu beteiligen, die genau diesen Erfolg tagtäglich verursachen. Das Thema Selbstorganisation und der Wunsch nach mehr Freiheit und Eigenverantwortung vieler Menschen spielen dabei natürlich eine entscheidende Rolle.

Fazit

Wollen Unternehmen dem schon heute vorherrschenden Anspruch der Menschen nach mehr Unabhängigkeit gerecht werden, dann sollten sich im ersten Schritt die Unternehmen an sich vom Eigentümer und/oder Gründer unabhängiger machen. Was wir brauchen, sind neue gedankliche Ansätze rund um die agile Unternehmensnachfolge – nach New Work sozusagen eine New Company Succession! Können beispielsweise Mitarbeitende als Mitinhaber über Jahre hinweg Anteile am Unternehmen zu einem guten Preis erwerben, ergibt sich im Laufe der Zeit mit einer dezentralen Struktur auch eine verteilte Führung und Entscheidungskompetenz. Das Unternehmen ist letztlich viel zukunftssicherer aufgestellt. Und Nachfolger zu suchen, erübrigt sich ebenfalls, weil diese aus den eigenen Reihen kommen – unabhängig von Namen oder Herkunft.

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Über den Autor

Timm Urschinger

Timm Urschinger ist Mitgründer und CEO von LIVEsciences. Nach dem Studium sowie einigen Jahren bei einem bekannten Pharma-Konzern in der Schweiz und im Consulting beschloss er, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Seine Erfahrung im Management globaler Programme und Transformation hat in ihm die Leidenschaft geweckt, pragmatische und innovative Lösungen zu entwickeln – für das eigene Unternehmen und für Kunden. Neue Organisationsmodelle wie Teal spielen dabei eine ebenso große Rolle wie die Selbstführung und dass Menschen endlich wieder Sinn und Spaß im Berufsleben erfahren. https://www.livesciences.com

Über LIVEsciences

LIVEsciences ist ein experimentierfreudiges Berater-Team, dessen Vision es ist, den Erfolg von Unternehmen und Organisationen zu katalysieren. Zentrale Bausteine sind das Potential der Menschen zu entfalten sowie Problemlösungstechniken zur Selbsthilfe. Das Ziel ist eine sich selbst organisierende Kultur als Basis für Innovation und Wachstum in einer sich schnell verändernden Welt. Namhafte Konzerne wie Roche, Siemens, Novartis, Bayer, Boehringer Ingelheim sowie beispielsweise auch die Basler Kantonalbank und die Schweizer Bundesbahn setzen bereits auf das Knowhow, die Erfahrungen und die Werte der Katalysatoren.

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