Teamwork innerhalb der Familie – Ist das noch Partnerschaft, wenn der Partner schafft?

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  • Beitrags-Kategorie:Beziehungen / Partner
  • Beitrag zuletzt geändert am:3. Juli 2023
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Christian Eineder

Wie sieht die Teamarbeit in deiner Familie aus?

Mal ehrlich, teilt ihr euch die Aufgaben fair auf oder ist es für einen Elternteil ungerecht? Erwiesen ist, dass Paare mit einer fairen Teilung der Sorgearbeit eine höhere Chance auf eine lang funktionierende Beziehung haben und mental gesünder sind. TEAM kennt man im Arbeitsleben auch als sarkastische Abkürzung: „Toll, Ein Anderer Macht’s“. Das kann auf Dauer nicht gelingen, geht zu Lasten der Teambeziehungen und der Stimmung. Bis es knallt und das Team zerbricht.
 
Zuhause legen wir Wert auf langfristige Beziehungen. Daher wiegt eine Dysbalance umso schwerer. Wer zu lange die ungleiche Aufteilung akzeptiert, schleppt einen Berg mentaler Last mit sich herum. Schlimmer noch, wer längere Zeit für die Kinder zuhause blieb, sucht meist den beruflichen Wiedereinstieg in Teilzeit und findet lediglich Aufgaben weit unter der ursprünglichen Qualifikation. Dieser Elternteil verlor das berufliche Netzwerk, Know-how und die Gehaltserhöhungen.
 
Da es frustrierend ist, unter den eigenen Möglichkeiten zu arbeiten, bleibt man meist bis zum Ruhestand eine Teilzeitkraft. Wegen der getrennten Lebenswelten (z.B. Mann im Vollzeitjob, Frau im Haushalt und Teilzeitjob) folgt häufig eine Trennung, wenn die Kinder selbstständiger werden – weil dieser Kit dann fehlt. Die Folge sind bei ca. 30 Prozent der Familien entweder Alleinerziehende mit geringem Einkommen oder Patchwork-Familien, die sich neu gefunden haben.
 
Für immer mehr Paare ist es heute wieder selbstverständlich, dass sich beide Partner beruflich entwickeln können. Schließlich bleiben nach den Kindern noch 15 bis 20 Jahre Beruf übrig, eine vielversprechende Phase, um gemeinsam finanziell unabhängiger zu werden.
 
Eine Studie der schwedischen Umeå University aus dem Jahr 2022 belegt, dass Mütter und Väter aus Doppelverdiener-Haushalten deutlich seltener von depressiven Symptomen berichten als aus Haushalten, in denen nur eine Person das Geld verdient. Die Studie beleuchtet, dass Erwerbsarbeit nicht nur eine Quelle für ein eigenes Einkommen ist, sondern auch für soziale Kontakte und Struktur.
 
Es tut Familien gut, wenn beide Partner an diesem Mehrwert teilhaben können. Und es lohnt sich für Paare, das möglich zu machen.
 
Eine der Voraussetzungen hierfür ist die faire Aufgabenteilung, denn je mehr Care-Aufgaben die Väter übernehmen, desto mehr Luft bleibt der Partnerin für ihre berufliche Entwicklung. Das
Trennungsrisiko sinkt für Paare mit dieser wertschätzenden Aufgabenteilung um 25 Prozent!
 

Familie und Beruf für beide Eltern ist (k)ein Zuckerschlecken

Eine Familie zu gründen, ist eine der schönsten Herausforderungen im Leben. Familie und Beruf zu vereinbaren, ist kein Zuckerschlecken, sondern eine intensive Lern- und Entwicklungsphase für alle Familienmitglieder. Die Ermöglicher für Kind und Karriere sind fast immer die gleichen und liegen in der Hand der Familien:
gegenseitige Partnerschaftlichkeit (Equal Care)
selbstständigere Kinder
externe Hilfe
selbstwirksame Familienorganisation
tägliche Routinen
klares Mindset

Wir haben als Eltern also sehr viel selbst in der Hand. Die Realität vieler Eltern sieht aktuell noch anders aus: 60 Prozent aller Eltern würden berufliche und familiäre Aufgaben gleichberechtigt aufteilen, jedoch gelingt es nur 14 Prozent der Paare (Studie INSM 2022). Ernüchternd. Umso wichtiger aufzuzeigen, wie Elternpaare dies erreichen können.
 

Wie können wir diese Partnerschaftlichkeit erreichen?

Das Gespräch ist ein gemeinsamer Anfang der Veränderung
Sprich das Thema an einem zweisamen Abend an, schildere deine Empfindungen ohne jegliche Vorwürfe und frage: Wie geht es dir damit? Das erste Gespräch wird die Welt nicht sofort verändern, aber es ermöglicht euch, einen gemeinsamen Plan aufzusetzen.
 
Muss denn immer alles perfekt sein?
Nimm dich ein bisschen zurück, denn es hilft dir voran. Meist haben die Partnerinnen ihre To-do-Listen und den Familienkalender ständig im Blick. Jedes Familien-Projekt zieht für sie einen Rattenschwanz an Gedankenschleifen und Organisation nach sich. Was koche ich für die Einladung am Samstag, muss etwas vorbestellt werden? Welche Deko muss ich organisieren? Hatte der Schwager nicht eine Zimt-Allergie? Diese Gedanken kennen alle Mütter/Frauen und sind vielen Männern eher fremd.
 
Obwohl sich viele Väter heute mehr um Haushalt und Kinder kümmern, hören wir immer wieder, dass man es „den Frauen kaum recht machen kann“ und sie „am Ende alles an sich reißen“. Viele raten zur Gelassenheit, aber da dies eine Frage der Haltung ist und Apelle wenig helfen, sollten betroffene Mütter es anders ausprobieren und sich überraschen lassen.
 
Der Mindest-Lohn: mehr Zeit für sich selbst, Freiräume zum Durchatmen und Zeit für die Partnerschaft.
 
Starte damit, Kleinprojekte (z.B. Kindergarten-Geburtstag, Nikolaus, etc.) vollständig an den Partner abzugeben. Lasse dir vom Partner nicht nur „helfen“, sondern denke nicht mehr an die übertragenen Aufgaben.
 
Um ihm eine echte Chance zu geben, braucht er eine saubere „Übergabe“: Was gehört dazu? Gibt es zeitliche Abhängigkeiten? Jetzt folgt der schwierigste Teil: Frage nicht mehr nach, sondern lass ihn eigene Erfahrungen, Erfolge und Misserfolge machen.
 
Eine Entlastung spürst du erst, wenn die Aufgabe bei dir nicht mehr in der Kontrollschleife ist.
Vertraue, gib Verantwortung ab und halte es vor allem aus, dass es dein Partner anders macht. Seine/ihre Herangehensweise ist für die Kinder genauso wertvoll wie deine. Reiße das Projekt auf keinen Fall wieder an dich! Die Kinder werden es verkraften und von einer anderen Herangehensweise profitieren.
 
Ersetze „Kann ich helfen?“ durch „Ich kann das übernehmen!“
Wenn der Konflikt groß ist und du anbringst: „Hättest du doch was gesagt“, dann ist das Potenzial in eurer Beziehung groß. Das verhängnisvolle Grundverständnis dahinter ist, dass du (lediglich) als Helfer zur Seite stehst, als Hilfsarbeiter statt als Mitgestalter. Das Helfen unterstellt, dass der Helfende mehr tut als nötig, während die verantwortliche Partei hinter den Erwartungen zurückbleibt.
 
Der Ausweg ist simpel und mächtig: Übernimm komplette Aufgabenbereiche, kümmere dich z.B. täglich um Frühstück, Pausenbrot und stets genügend Brot hierfür im Brotkorb. Es wird eurer Beziehung, dir und den Kindern guttun. Um deinem Vorhaben Kraft zu geben, nimm dir ein stilles Ziel vor (und erzähle noch nichts davon).
 
Equal Care! Teilt euch die Aufgaben rund um Kinder, Familie und Haushalt fair auf.
 
Du wirst automatisch mehr Familienzeit bekommen, schaffst eine Beziehung auf Augenhöhe und sorgst nebenbei dafür, dass sich beide Partner beruflich entwickeln können. Du verbesserst dein  Organisationstalent, dein Verantwortungsbewusstsein und deine Belastbarkeit. Du entwickelst eine stärkere Bindung zu den Kindern und sie verbessern sich dadurch nachweislich in ihren kognitiven Fähigkeiten.
 
Schwedischen Studien zufolge hat die zusätzliche Zeit mit den Kindern einen signifikant positiven Effekt auf deine Zufriedenheit im Job. Legst du gleich los? Genieße die stillen Effekte, schließlich hast du es selbst in der Hand.
 
Selbständigere Kinder sind eine große Entlastung für die Eltern. Ein nachhaltiger Beitrag sind tägliche Routinen. Kinder lieben stete Wiederholung. Sie lieben es, etwas selbst zu machen, und zeigen gern, was sie schon können. Das Lob bestärkt sie, so weiterzumachen. Wer das berücksichtigt, wird selbständigere Kinder erleben.
 
Zwei Beispiele
Die Morgen- und die Abendroutine laufen immer gleich ab: morgens aufstehen, waschen, anziehen, frühstücken, Zähne putzen. Haben wir Eltern wirklich die Zeit, jeden Schritt durch scharfes Eingreifen in der morgendlichen Hektik zu steuern? Wie lohnend wäre es, den Kindern die täglich gleiche Routine so aufzuzeigen, dass sie die Schritte selbst durchlaufen können?
 
Der Zauber: Befähigung durch Visualisierung
Dazu zeichnen wir die Schritte auf ein Magnetbrett und ergänzen Spielsteine. Dann durchlaufen wir die neue Routine ein paar Mal gemeinsam und lassen nach ersten Erfolgen die Kinder allein laufen. Und schon funktioniert auch das Ins-Bett-Gehen, weil die täglich gleiche Wiederholung der Abendroutine einen Automatismus auslöst, der den Kindern Sicherheit und Vertrauen in die Situation gibt. Es entstehen die nötige Gelassenheit und Ruhe, sodass sie meist gut ein- und durchschlafen. Eine Voraussetzung dafür, dass auch die Eltern wieder  erholsam durchschlafen und mehr Zeit für sich und die Beziehung haben.
 

Aufgaben fair-teilen statt verteilen!

Wer die To-Do-Liste im Kopf hat, muss die Aufgaben jemandem auftragen, wenn man selbst gerade dran denkt, oder man erledigt sie direkt selbst. Meist schafft das Zuteilen eine Konfliktsituation, weil die Kinder gerade spielen oder der Partner erst zur Tür reinkam und sich mit seinen Liebsten erholen will.

Dieses Dilemma lässt sich mit professionellen Taskboards lösen. Das Prinzip: Wir machen die offenen Aufgaben für alle jederzeit zugänglich, damit sie selbst aktiv werden können, wenn es gerade passt.

Die meisten Haushaltslisten funktionieren nicht gut, weil sie fest einteilen und damit jegliche  Eigenmotivation und Selbstbestimmtheit zunichte machen. Die agilere Lösung ist ein stets griffbereiter Aufgabenvorrat, aus dem jeder bis zum Ende der Woche eine feste Anzahl Aufgaben erledigt, um sein Wochen-Soll zu erfüllen. Jeder kann eine Aufgabe frei aus dem Vorrat wählen und erledigt sie direkt (reservieren verboten). Daher wird Vieles meist früh erledigt. Ungefragt und selbständig.

Ein Taskboard zeigt allen, was noch zu tun ist und wie sie mithelfen können – ohne dass genervte Eltern sie daran erinnern müssen.

Jeder sieht stets den Arbeitsstand der anderen, will nicht hinten dran sein. Und jeder will auch seine Lieblingsaufgaben erwischen, solange sie noch da sind. Das motiviert sehr. Der Schlüssel ist also, die regelmäßigen Familienaufgaben allen frei zugänglich zu machen. Die Kinder sind begeistert, weil sie kaum mehr eingeteilt werden. Die Eltern sind „aus der Schusslinie“, und jedes Familienmitglied ist selbst für die gewählten Aufgaben und deren Erledigung verantwortlich.


Fazit

Die Elternbeziehung ist der schützenswerte Kern einer Familie. Geht sie zu Bruch, so ist dies für Kinder und Elternteile ein schwerwiegender Einschnitt im Leben. Es lohnt sich daher sehr, die Elternbeziehung auf ein festes, gleichgewichtetes Fundament einer echten Partnerschaft zu stellen. Augenhöhe erfordert meist mehr Eigeninitiative von einem Partner und das Zutrauen des anderen Partners.

Die spielerische Visualisierung der Routinen und der agile Aufgabenvorrat machen aus oft engen Spielregeln eine selbstwirksame Familienorganisation und befähigen alle Familienmitglieder, sich gleichwertig und altersgemäß einzubringen. Der Lohn: Kinder, die zu selbstständigeren Persönlichkeiten reifen, beide Elternteile mit beruflicher Entwicklung und eine Partnerschaft auf Augenhöhe, die große Chancen hat, die Kinder als emotionales Bindeglied zu überdauern.

healthstyle

Routineboard Abbildung 1
Morgens zuerst Waschen, dann Anziehen, dann Frühstücken etc.: Das Routineboard visualsiert spielerisch den Kindern die Morgen- und Abendroutine, damit Eltern nicht ständig dahinterstehen müssen.
Routineboard Abbildung 2
Der Wochenplaner für die ganze Familie: Stets vor Augen, welche Aufgaben noch übrig sind und wer schon was erledgit hat. Und auf der Rückseite ist die Mediennutzungszeit der Kinder an die Erledigung der Aufgaben gekoppelt.

Über den Autor

Christian Eineder hat sich zum Ziel gesetzt, dass alle Eltern Kind und Karriere miteinander vereinbaren können. Für diese intensive Lebensphase befähigt er berufstätige Eltern mithilfe des easyfaM Elternprogramms. Die Hauptbestandteile sind agile Familienboards und das E-Learning. Für Arbeitgeber wird das Elternprogramm um Blitzseminare für Führungskräfte und Coaching für Eltern ergänzt. Christian Eineder lebt im Westallgäu, ist Unternehmer, Hochschuldozent, glücklich verheiratet und hat 2 Teenager...
Kontakt: www.easyfaM.com

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