Hoffnung schöpfen

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  • Beitrags-Kategorie:Persönlichkeit
  • Beitrag zuletzt geändert am:29. Januar 2023
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Dr. Utz Anhalt

Unter Hoffnung verstehen wir heute eine positive Erwartungshaltung, gemeinhin, ohne dass dazu ein objektiver Grund besteht. Sie stellt so das Gegenteil von Verzweiflung dar und hängt doch eng mit dieser zusammen. In der Regel hoffen wir, wenn etwas nicht gewiss ist oder sogar, wenn praktische Methoden, ein Ziel zu erreichen, versagt haben. Wie überwinden wir aber Verzweiflung und schöpfen Hoffnung?

Hoffnung schöpfen – ein Überblick

Hoffen beschreibt ebenso einen aktiven wie einen passiven Zustand.

Aktiv hoffen bedeutet, ein wichtiges Ereignis, Geschehnis oder Ziel am Horizont zu sehen, zu wünschen, dass dieses eintritt, daran auch zu glauben; aber die eigenen, beschränkten Möglichkeiten, es zu erreichen, zu kennen.

Hoffen kann die Selbstheilung des Körpers fördern.

Wer aktiv ist, sucht nach unkonventionellen Wegen, um sein Ziel zu erreichen. Aktiv hoffen motiviert.

Wer passiv hofft, versperrt sich hingegen eigener Aktivität, eine prekäre Situation eventuell zu verbessern.

Hüpfen und zappeln

Hoffen stammt vom niederdeutschen Wort „hopen“, was hüpfen bedeutet, deutlich noch heute im englischen „hop“. Übertragen hüpft also der Hoffende in freudiger Erwartung auf etwas Kommendes. Er steht der Zukunft positiv gegenüber, im Unterschied zum Hoffnungslosen, dem die Zukunft schwarz erscheint.

Während Verzweiflung das Gegenstück zur Hoffnung darstellt, begleiten Angst und Sorge unsere Hoffnungen.

Selten ist Hoffnung absolut, zur Erwartung, dass die Zukunft positiv ausfällt, gesellt sich die Angst, dass diese Hoffnung trügen könnte.

Unberechtigte Hoffnungen bezeichnen wir als Illusionen. Hoffnung leitet auf ein Ziel hin, sie bedeutet Vertrauen, das mit einem subjektiven Interesse an erfreulichen Möglichkeiten der Zukunft einhergeht.

Das Prinzip Hoffnung

Hoffnung im religiösen Sinn gehört zu den Leitmotiven des Christentums und geht hier mit festem Glauben an den allmächtigen Gott einher. Im 20. Jh. definierte hingegen Ernst Bloch Hoffnung philosophisch.

Bloch sieht Hoffnung zwar auch als eine in die Zukunft gerichtete Erwartung, die aus dem biologischen Antrieb zur Selbsterhaltung resultiert, geht aber darüber hinaus. Denn in der Hoffnung verbände sich diese Erwartung mit der reflektierenden Vernunft, die gewünschten Ziele auch in der Realität zu erreichen. Diese Art von Hoffnung ist kein passives Unterwerfen unter einen fiktiven Gott, sondern ein aktives Handeln in der Welt. Sie bedeutet, sich mit einem Problem auseinanderzusetzen, Veränderungen zu suchen und Handlungen einzuleiten, um das Problem zu beheben. Für Friedrich Nietzsche war Hoffnung hingegen das Übelste der Welt, weil sie die Qualen der Menschen verlängere.

Heutige Definitionen

Derzeitige Definitionen von Hoffnung stimmen in den wesentlichen Punkten darin überein, dass Hoffnung

positiv besetzt ist,

sich auf die Zukunft bezieht,

für den Hoffenden realistisch erscheint, unabhängig davon, ob andere dies auch so beurteilen und dass die Realisierung große Mühen in Anspruch nähme.

Manche Psychotherapeuten sehen Hoffnung verbunden mit Selbstkompetenz als Möglichkeit, das eigene Potenzial auszuschöpfen, im Sinne des „Glaube an dich selbst“.

Andere Konzepte verorten Hoffnung transzendent als „Schicksal“, „kosmische Kraft“, den christlichen Gott, eine metaphysische Gerechtigkeit oder im Glauben an den technischen Fortschritt. Hier gibt es noch Unterschiede zwischen einem passiven Erwarten von Heil oder dem (magischen) Glauben, diese „kosmischen Kräfte“ gezielt anzapfen zu können.

Traditionelle Vorstellungen bezeichnen mit Hoffnung eine ausdauernde, dabei aber passive innere Haltung, also das Warten auf Hilfe von außen.

Motivation

Charles Richard Snyder untersuchte in den 1980er-Jahren, was Hoffen psychisch auslöst. Demnach sei Hoffen mit Nachdenken über Ziele verknüpft und bedinge so die Entschlossenheit, diese Ziele in Angriff zu nehmen. Hinzu käme der Optimismus, Wege zu finden, um diese Ziele zu erreichen.

Er vermutete, dass Hoffen Menschen antreibe, sich auf ihr Ziel zu konzentrieren. Hoffnungsvolle ließen sich weniger entmutigen. Kämen sie nicht weiter, suchten sie nach alternativen Pfaden, statt aufzugeben. In dieser Definition geht Hoffen einher mit Motivation. Hoffnungslosigkeit führe hingegen dazu, Ziele aufzugeben und sich alternativen Lösungen zu verweigern. Snyder bezog sich dabei darauf, dass hoffnungsstarke Studierende bessere Noten hätten und ihr Studium besser abschlössen.

Snyders Ansatz wurde in der Folge kritisiert, da sein Hoffnungsbegriff keine inhaltliche Trennung von Termini wie Optimismus, Selbstkontrolle oder Glauben an sich selbst zulasse. Zudem klammere er Hoffnungen aus, die Menschen gerade dann hätten, wenn keine Möglichkeit in Sicht sei, gesetzte Ziele zu erreichen – ein Ansatz, auf den Nietzsche sich bezog, nach dem Hoffnung gerade dann einsetze, wenn es keine rationale Möglichkeit gäbe, eine Situation zu verbessern.

Ein Erwartungsgefühl

Psychologisch ist Hoffen eine Erwartungsemotion. Wenn wir uns ein zukünftiges Geschehnis vorstellen, entwirft unser Gehirn ein allegorisches Modell davon, im Positiven wie im Negativen – unabhängig von einer „objektiven Realität“. Das kann auch ein Angstbild sein – hier wäre die Erwartung negativ. Das Hoffnungsgefühl bedeutet jetzt zum einen die Überzeugung, dass dies positive Geschehnis möglich erscheint und zweitens entspringt es dem Wunsch, dass es eintritt. Auf das Hoffnungsgefühl trifft typischerweise auch zu, dass der Wünschende keinen oder nur wenig Einfluss auf dieses Geschehen hat. Das gilt zum Beispiel für einen Arzt, der über einen krebskranken Patienten sagt, „es besteht Hoffnung“ und damit zugleich glaubt, dass der Krebs ausheilt und sich diese Heilung wünscht, allerdings weiß, dass seine eigenen Möglichkeiten, dazu beizutragen, beschränkt sind.

Motivierend oder demotivierend?

Ob Hoffen einen Menschen motiviert oder demotiviert, liegt entweder an seiner aktiven oder passiven Erwartungshaltung. Erstere fördert die Motivation, indem sie negative Erwartungen ausblendet und den Betroffenen inspiriert, Informationen zu sammeln, die das Erhoffte möglich machen – sogar dann, wenn konventionelle Methoden versagten.

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Passiv hoffen kann jedoch zum genauen Gegenteil führen. Statt selbst aktiv zu agieren, warten die Hoffenden auf etwas, das außerhalb ihrer Kontrolle liegt. Dies betrifft besonders die religiöse Hoffnung, bei der ein übernatürliches Wesen es schon richten wird. Dies gilt auch für das Hoffen im Sinne von Illusionen machen, wenn lediglich das gewünschte Ziel vor Augen steht, aber die Hoffenden gerade keine Schritte einleiten, um es herbeizuführen.

Kennzeichen von Hoffen sind dabei, dass das zukünftige Geschehnis für die Hoffenden erstens eine große Bedeutung hat, zweitens durch eigene Arbeit nur schwer erreicht werden kann und drittens, dass die Betroffenen Gefühle und Gedanken in das Ergebnis investieren, auch wenn die Aussicht, dass es eintritt, in Zweifel steht.

Wie kann sich Hoffen positiv auswirken?

Aktiv hoffen wirkt sich, Studien zufolge, positiv auf den beruflichen Erfolg aus und fördert das Erreichen von hoch gesetzten Zielen, an der Uni wie im Sport. Hoffen fördert das Wohlbefinden auch in prekären Situationen. Es mobilisiert die Selbstheilung des Körpers, ähnlich wie ein Placebo.

Hoffen – ein zweischneidiges Schwert

Aktiv hoffen, also ein Ziel im Auge zu haben trotz äußerer Widerstände, fördert das Erreichen dieses Ziels. Hoffen schafft die Ausdauer, die nötig ist, ein Ziel über längere Zeit zu verfolgen. Indessen gehört zum Gelingen eines Projektes auch das kritische Einschätzen der Realität. Wer sich an sein Hoffen und Wünschen klammert, kann auch in den Abgrund rutschen, weil er den Punkt verpasst, an dem er von einem aussichtslosen Ziel ablassen muss.

Auch aktives Hoffen führt zum selektiven Wahrnehmen. Wir registrieren nur noch das, was uns in Richtung des angestrebten Ziels positiv erscheint und blenden Bedenken aus. Das funktioniert zwar bis zu einem bestimmten Grad als eine notwendige Sicherung des Gehirns, um nicht in Angst zu erstarren und handeln zu können, geht aber nahtlos in Selbsttäuschung über. Der kritische Punkt ist dann erreicht, wenn wir neue Erkenntnisse, die unserem positiv gefärbten Bild widersprechen, ausblenden oder sogar bekämpfen.

Hoffnung in Krisen schöpfen

In einer Lebenskrise kommen Menschen schnell an den Punkt, an dem „nichts mehr geht“. Verzweiflung breitet sich aus, wir fühlen uns unfähig, aus eigener Kraft jemals aus der Situation herauszukommen. Hier kann aktives Hoffen zwar keine Wunder bewirken, uns aber leiten, die Krise zu bewältigen.

Verzweiflung mag zwar seine Berechtigung haben, stellt aber, ebenso wie Hoffen, erst einmal ein subjektives Gefühl dar, unabhängig davon, ob die „objektive Situation“ wirklich zum Verzweifeln ist. Hoffen eignet sich, um eine Krise zu bewältigen, paradoxerweise, weil wir vorerst nichts tun müssen, als an einen positiven Ausgang zu glauben.

Zu hoffen beginnen wir dann, wenn in uns Verzweiflung aufkommt. Wir stecken mittendrin im schwarzen Loch: nach der Trennung von unserem Partner, nach dem Verlust des Arbeitsplatzes oder der Wohnung. Während wir Gefahr laufen, in unserem Leid stecken zu bleiben, zeigt uns das Hoffen eine Perspektive. Das ist die wichtigste Funktion. Das ersehnte Ziel leuchtet am Horizont und zeigt uns, dass das gegenwärtige Tief in der Zukunft nicht ewig andauern muss.

Wenn ich also die Hoffnung habe, dass bald wieder ein anderer Zustand eintritt, tropfen langsam, aber sicher die Ideen und Gedanken, was ich tun kann, um diesen Zustand zu erreichen.

Woraus können wir Hoffnung schöpfen?

Um Hoffnung zu schöpfen, bedarf es keines religiösen Glaubens. Als hilfreich erweist sich indessen, wenn Sie Ethik und Werte verinnerlicht haben. Denn diese bieten Ihnen einen Halt und helfen, nicht den Mut zu verlieren.

Hoffnung schöpfen können wir also am besten aus einem humanistischen Koordinatensystem und dem Bestreben, in einer lebenswerten Welt zu leben. Denn Hoffen bedeutet, darauf zu vertrauen, dass Sinn in dem liegt, was wir tun. Demnach steht der Einsatz für eine humane Gesellschaft der Verzweiflung ebenso entgegen wie die Hoffnungslosigkeit.

Mehr zum Thema

Ernst Bloch: Werkausgabe: Band 5: Das Prinzip Hoffnung. Frankfurt am Main 1985

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Über den Autor

Dr. Utz Anhalt

Dr. Utz Anhalt: 1991 Geschichte und Politik Schwerpunkt historische Anthropologie von Mensch und Wildtier, 1999 Magister über den Werwolfmythos, 2007 Doktor der Philosophie über die Geschichte der Zoos. Dozent, Publizist und Autor unter anderem für Museum aktuell, Expotime, Nautilus – Magazin für Abenteuer und Phantastik, Miroque, Karfunkel, Zillo Medieval, Der Fall, Sitz-Platz-Fuß, Sopos, Junge Welt, Freitag, TAZ, ND, Frankfurter Allgemeine. Redakteur bei Heilpraxisnet.de.

Kontakt: www.utzanhalt.de

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