Wie viel ist Ihnen Ihre Gesundheit wert? Nehmen Sie sich wichtig!

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  • Beitrags-Kategorie:Gesundheit
  • Beitrag zuletzt geändert am:3. Juli 2023
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Vorsorge | Solange mit Medizin Geschäfte gemacht werden, bleibt die Prävention auf der Strecke.

Roland Tennie

In den letzten Jahren beobachte ich mit steigender Skepsis die Entwicklung, dass immer mehr Menschen ihre Vorsorgeuntersuchungen verpassen oder hinauszögern, weil sie Geld sparen wollen. Aus reinen Kostengründen vergrößern sie das Untersuchungsintervall oder lassen die Möglichkeit komplett verstreichen.

Da ist es nicht gerade hilfreich, dass viele sinnvolle Ergänzungen, wie beispielsweise der Ultraschall einzelner Organe, Schilddrüsen-Vorsorge, große Krebsvorsorge oder zusätzliche Diagnostik in der Schwangerschaft, inzwischen sogar sogenannte IGel (also individuelle Gesundheitsleistungen) geworden sind und damit aus eigener Tasche bezahlt werden müssen.

Aus lauter Angst vor unnötigen Kosten begegnen Patienten ihren Ärzten teilweise sogar mit Misstrauen. Aussagen wie „Die wollen doch nur Geld machen“ sind keine Seltenheit. Aber auch mangelnde Aufklärung darüber, was wichtig ist und was einen echten Zusatznutzen bringt, treibt die Menschen um.

Viele der Angebote gelten inzwischen bereits als völlig unnötig und wenig nutzbringend, werden aber trotzdem immer wieder angeboten und durchgeführt. Das stärkt weder das Vertrauen der Patienten in ihre Behandler, noch schont es ihren Geldbeutel. Da ist es nicht verwunderlich, dass Patienten selbst wichtige Vorsorgeuntersuchungen hinterfragen. Ich habe persönlich schon erlebt, dass des Geldes wegen wichtige Check-ups bis zu fünf Jahre hinausgezögert wurden. Das ist in meinen Augen ein unhaltbarer Zustand, dem wir entgegenwirken müssen. Ich halte das alles sogar für fatal.

Angst vor Corona macht noch vorsichtiger

Dass 2020 für jeden medizinischen Bereich eine Herausforderung darstellt, ist sicher jedem klar. Auch der Bereich Vorsorgeuntersuchungen ist massiv betroffen. Ich beobachte, dass schon seit Beginn der Covid 19-Pandemie bei vielen, besonders älteren Patienten, die Angst vor Corona vorherrscht und das Bewusstsein der Menschen für die Notwendigkeit präventiver Gesundheitschecks überlagert.

Auch wenn ich diese Sorge natürlich nachvollziehen und die Ernsthaftigkeit im Umgang mit dem Virus nur bestätigen kann, stecken wir hier in einem großen Dilemma. Deshalb sorgen wir bei uns in der Praxis für eine konsequente Umsetzung aller Corona-Schutzmaßnahmen – wie übrigens die große Mehrheit aller in der Heilkunde Tätigen.

Die Telemedizin ist in der Weiterbetreuung von Patienten sicher eine große Hilfe. Für eine Erstdiagnose und für Vorsorgeuntersuchungen muss der Weg aber stets in eine Praxis führen.

Wir müssen also dafür sorgen, dass sich die Menschen sicher genug fühlen, um ihre Check-ups stets durchführen zu lassen.

Ansonsten macht die Angst vor Corona sie unter Umständen kränker als nötig.

Kurzsichtig gerechnet

Als wäre die Situation noch nicht kompliziert genug, werben immer mehr vor allem private Krankenkassen mit Beitragsrückerstattungen, weil sie davon ausgehen, dass Patienten Rechnungen nicht einreichen, um Teile ihrer Beiträge wieder zurückzubekommen. Tatsächlich haben sie häufig recht damit. Denn die Praxis zeigt, dass diese Art der Werbung in vielen Fällen Früchte trägt.

Allerdings bedenken viele Patienten nicht, welche schweren Nebenwirkungen diese kurzfristige Kostenersparnis mit sich bringen kann. Eigentlich wissen wir doch alle, dass uns die Gesundheit heilig sein sollte, nein: muss. Und trotzdem sparen wir, wenn wir eine kleine finanzielle Vergünstigung wittern, genau daran.

Das ist allerdings sehr kurzsichtig. Denn das Ergebnis zeigt sich oft, wenn die Menschen nicht mehr anders können und wegen starker Symptome, wie zum Beispiel andauernder Schmerzen, bei mir oder ihren Hausärzten aufschlagen. Dann ist eine Krankheit leider oft schon so weit fortgeschritten, dass eine Behandlung deutlich aufwendiger, unangenehmer, langwieriger und möglicherweise sogar deutlich teurer wird. Im schlimmsten Fall können die versäumten Präventionsmaßnahmen sogar tödlich enden.

Unnötig und tragisch

Das muss doch wirklich nicht sein! Und ich frage mich immer wieder, wie viel den Menschen die eigene Gesundheit wert ist. Betrachten wir die Fakten, dann offensichtlich viel zu wenig.

Ich möchte an dieser Stelle unbedingt auch die Krankenkassen mit in die Verantwortung nehmen. Denn Versicherungen dürfen niemals mit dem Leben von Patienten zocken, für die sie eigentlich da sein sollten. Das ist moralisch nicht vertretbar und kann furchtbare Konsequenzen nach sich ziehen.

Gerade erst habe ich wieder den Fall erlebt, dass eine Patientin mit einem bösartigen Tumor in fortgeschrittenem Stadium zu mir kam. Hätte sie ihre Vorsorgeuntersuchungen wahrgenommen, hätten ihre Ärzte den Tumor viel früher entdeckt und schneller sowie zielgerichteter reagieren können. Und mit naturheilkundlichen Methoden hätten wir diese Therapien unterstützen können.

Einen Beitrag können wir natürlich auch jetzt noch leisten. Ich hätte mir für die Patientin aber gewünscht, dass ihr die nun nötig gewordene hochdosierte Chemotherapie mit den ganzen schwerwiegenden und unangenehmen Nebenwirkungen erspart geblieben wäre. Hinzu kommt, dass ihre Heilungschancen heute viel schlechter stehen als bei einer früheren Erkennung des Tumors.

Solche Fälle sind besonders tragisch, wenn man bedenkt, dass das Verpassen wichtiger Vorsorgeuntersuchungen oft auch noch finanziell völlig unnötig ist. Liest man das Kleingedruckte in den Krankenkassen-Verträgen, zeigt sich häufig, dass bestimmte Präventionsmaßnahmen sich gar nicht auf eine Rückerstattung auswirken. Im Gegenteil:

Es gibt sogar einige Versicherer, die all jenen einen Bonus auszahlen, die ihre Prävention eigenverantwortlich wahrnehmen.

Ich wünschte, das würden alle so machen. Doch leider sind auch solche Maßnahmen oft nur Lockangebote der Versicherungen – genauso wie die Übernahme der Kosten von Heilpraktikerleistungen und zahlreichen Naturheilmitteln. Ich habe oft erlebt, dass die nach nur kurzer Zeit wieder abgeschafft oder zumindest drastisch gekürzt wurden – Sparmaßnahmen, versteht sich.

Das passiert bei Privatversicherungen seltener. Aber auch deshalb steigen dort die Beiträge besonders im Alter oft ins Uferlose und sind damit für viele nicht mehr bezahlbar.

Heilung statt Prävention

Jetzt können wir natürlich alle über unsere Zweiklassen-Medizin lamentieren – dass es oft einen Unterschied macht, ob jemand privat oder gesetzlich versichert ist, möchte ich auch gar nicht bestreiten. Das haben inzwischen auch viele Krankenkassen und Ärzte bereits zugegeben.

Woran unser Gesundheitssystem aber noch viel deutlicher krankt, ist die Ausrichtung auf Heilung anstatt auf Prävention zu legen.

Absurd ist, dass im gleichen Atemzug, ebenfalls aus Kostengründen, die medizinische Versorgung an sich immer weniger gewährleistet wird. Alles zugunsten der Rentabilität zum Beispiel von Klinik-Konzernen. Kliniken werden geschlossen, Intensivbetten abgebaut und auch die Bezahlung derjenigen, die sich um die Patienten kümmern, müsste dringend auf den Prüfstand.

Solange mit Medizin „Geschäfte“ gemacht werden müssen, wird auch immer die Prävention auf der Strecke bleiben, weil die Zeit zur Aufklärung und Information der Patienten fehlt.

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Außerdem lässt ein Patient, der sich verantwortungsvoll um seinen Gesundheitszustand kümmert, die Kassen nicht klingeln. Um dieses System erfolgreich zu verändern, müssten alle – Krankenkassen, Ärzte und Heilpraktiker – gemeinsam ansetzen und dafür sorgen, dass Patienten über Tarife, Möglichkeiten und Präventivmaßnahmen stets informiert sind. Denn das liegt in unserer Verantwortung.

Fazit

Der Ansatz, dass, ähnlich dem Bonusheft beim Zahnarzt, Erstattungen bei regelmäßiger Wahrnehmung von Vorsorgeterminen höher werden, ist nicht nur richtig, sondern auch wichtig.

Natürlich ist trotzdem jeder Einzelne hauptsächlich selbst für seine Gesundheit zuständig. Wir können aber nicht komplett alle Verantwortung auf die Patienten abwälzen und uns dann wundern, wenn mit wichtigen Untersuchungen viel zu locker umgegangen wird. Ich möchte niemanden in Schutz nehmen, der fahrlässig seine Gesundheit verspielt. Dennoch ist es absolut wichtig, dass Gesundheit niemals eine Frage des Vermögens sein darf: Unser Wohlergehen ist mit keinem Geld der Welt aufzuwiegen!

Bleiben Sie „am liebsten gesund“!

healthstyle


Über den Autor:

Roland Tennie

Roland Tennie ist seit 1982 in der Medizin tätig. Berührungspunkte gab es aber bereits früher durch zahlreiche Einsätze bei verschiedenen Hilfsdiensten. Er arbeitete in vielen Fachbereichen der Medizin – am Ende in der Kardiologie in Kliniken. Seit vielen Jahren hat der Heilpraktiker eine eigene Praxis für Komplementärmedizin in Essen. Er setzt auf Naturheilkunde, sieht diese als Ergänzung zur klassischen Medizin und weiß um das essenzielle Zusammenspiel von Körper, Geist und Seele. Seine eigene chronische Erkrankung war nur durch die Kombination beider medizinischer Richtungen erfolgreich zu therapieren. Tennie hat Kunden aus der ganzen Welt, zu denen auch Spitzensportler wie Kira Walkenhorst, Olympiasiegerin im Beach-Volleyball, gehören. Auf seinem Blog www.amliebstengesund.de schreibt er über viele Bereiche der Komplementärmedizin, informiert und kommentiert gesellschaftliche und politische Veränderungen in der Medizin.

Kontakt: rezeption@amliebstengesund.de

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